Feb 09, 2016 14:38 CET

Liebe Freunde! In dieser neuen Reihe wollen wir ein Stück iranisches Kulturerbe vorstellen – das Kunsthandwerk unseres Landes – wie traditionelle iranische Gewebe und Teppiche, Volkstrachten, Stickereien, Zier- und Gebrauchsgegenstände aus Holz, Metall und Gestein, Ton- und Keramikgefäße.

Zu Beginn sollten wir als erstes ganz allgemein über das Wesen des Kulturerbes und die Bedeutung des Kunsthandwerkes auf der Welt und in unserem Land, Iran, sprechen.


Bei dem Begriff „Kulturerbe“ fallen  den meisten als erstes antike Bauwerke ein, wie Tacht-e Dschamdschid (Persepolis) bei Shiraz,  oder der Naqsch-e Dschihan-Platz in Isfahan bzw. die antiken Bauwerke in Rom und Athen, China oder Indien. Aber das Kulturerbe umfasst viel mehr: so auch die historischen Gegenstände in den Museen – von Kunstwerken  und archäologischen Funden bis zu alten Manuskripten. Sie alle geben uns einen Einblick in die Geheimnisse vergangener Zivilisationen.  Unter Kulturerbe werden sogar Sprachen, Überzeugungen, Traditionen und Sitten verstanden.


Was ist Kulturerbe nun eigentlich genau? Was ist Kultur?


Zur Kultur gehört die Schaffung von Kunst wie Musik, Film, Theater , Literaturwerke und ähnliches. Darüber hinaus gibt es eine allgemeine Kultur. Darunter werden die Alltagssitten und Umgangsformen verstanden – die Art wie die Menschen sich bekleiden, sprechen usw. Die Mehrheit der Bevölkerung achtet auf diese Leitkultur und die Medien unterstützt sie.  Es wird sogar Kulturaufbau betrieben, entweder um die Leitkultur zu stärken oder sie in eine gewünschte Richtung zu ändern. 


Die Kultur ist in Wahrheit ein mächtiger Baum, dessen Wurzeln, Stamm und Zweige im Laufe von Jahrhunderten bzw. Jahrtausenden Form angenommen hat und wenn er Laub und Früchte trägt, so wegen dieser Wurzeln und diesem Stamm und seiner inneren Entwicklungen. Wenn wir also diesen Baum erhalten wollen, müssen wir auf seine Wurzeln und seine Umgebung achten. Das Kulturerbe eines Volkes bildet seinen wahren Ursprung und ist Spiegel seiner Identität. Dieses Kulturerbe ist kein unwesentlicher Bestandteil eines Ganzen sondern nach Ansicht einiger Denker, die Basis, die sich auf alles auswirkt.  Es ist der Baum, unter dem  wir geboren wurden und aufgewachsen sind und der unsere Lebensweise beeinflusst.  Natürlich hat auch umgekehrt unsere Lebensweise einen Einfluss auf ihn, nämlich auf sein Wachstum. Wir können diesen Baum aber  nicht entwurzeln.  Selbst wenn wir alle seine Äste absägen, so werden die Wurzeln stehen bleiben und wieder Sprossen treiben.   


Das Kulturerbe  ist der einzige Vermittler zwischen uns und unseren Vorfahren. Es berichtet von ihrem Leben und ihren Bräuchen und sogar von ihrer Denkweise und Einstellung und macht uns die Geschichte spürbarer als jedes Geschichtsbuch. Allerdings  gibt es auch einige Länder, die keine solche Stütze in ihrem Kulturerbe finden, weil ihre Geschichte noch nicht alt ist.  Ein Beispiel sind die USA. Die einzigen in diesem Land,  die noch in einem begrenzten Umfange Reste eines alten Kulturerbes besitzen, sind die Ureinwohner.


Im Gegensatz dazu sind  in einem Land mit langer Geschichte wie Iran noch  die Spuren der Bewohner von Städten und Dörfern, die vor mehreren Tausend Jahren gelebt haben,  erhalten geblieben und es gibt zahlreiche Quellen, die uns Auskunft über die kulturelle Hinterlassenschaft der Vorfahren geben.  Das Kulturerbe der  iranischen Zivilisation bildet die nationale historische Identität der Iraner. Es nimmt zahlreiche Formen an, und eine davon ist das iranische Kunsthandwerk.


Der Beginn des Jungsteinzeitalters erstreckt sich auf circa 8000 bis 4000 Jahre vor Christus. In dieser Zeit wandten sich die Menschen dem Ackerbau und der Viehzucht zu. Dieses Neolithikum begann in einigen Teilen Westasiens, darunter auch im Iran. Der   Mensch, der vorher als Sammler und Jäger gelebt hatte, wurde sesshaft. Es ist die Zeit der  Domestizierung von Wildtieren und Wildpflanzen. Die ehemaligen  Nomaden betrieben Ackerbau und Viehzucht.   In dieser Ära wurden das Rad und das Boot erfunden und es entstanden die ersten Ansiedlungen.


Die  ältesten historischen  Hügel  im Iran aus dieser Zeit   sind Tappeh Gandsch Dareh und Asiyab in der Nähe des westiranischen  Kermanschahs und „Ali Kosch-Hügel “ in der  benachbarten  Provinz Ilam.  Wie Ausgrabungen zeigen, haben die Bewohner dieser Ansiedlungen Gegenstände und Werkzeuge aus Stein mit sägeartigen  Kanten angefertigt. Der Mensch speicherte das überflüssige Saatgut und Getreidekörner  in Gefäßen , um es vor Wärme und Feuchtigkeit zu schützen. Inspiriert von den Formen in der Natur fertigte er aus einem Gemisch von Wasser und Lehm die ersten Tongefäße an.


Bei Ausgrabungen im 20.Jahrhundert hat man am historischen Ziwiye-Hügel  in der westiranischen Provinz Kurdistan Gegenstände aus der Neusteinzeit gefunden, nämlich unter anderem das Bruchstück eines kunstvoll gestalteten Henkelgefäßes in Form eines Adlers. Das Gefäß war 14 cm hoch und bestand aus Lasurstein. Dazu gehörte ein größeres Gefäß, welches für besondere Rituale  benutzt wurde.  


Aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse und archäologischer Funde bildet der  Iran zusammen mit Indien und China  den Ausgangspunkt des Kunsthandwerkes der Menschheit. Das iranische  Kunsthandwerk ist noch vielfältiger als das der beiden anderen Länder. Es gibt mindestens 152 verschiedene Arten Kunsthandwerk im Iran und wenn man deren Verzweigungen mitrechnet, kommt man auf 253 verschiedene Arten.


Das Kunsthandwerk im Iran, Indien und China blickt auf eine lange Vergangenheit und reiche Erfahrungen zurück. Es hat nicht nur eine kulturelle Bedeutung sondern war auch für die Wirtschaft dieser Länder wichtig, denn es hat großen Bevölkerungsgruppen auf dem Land und in den Städten eine Erwerbsmöglichkeit geschaffen. Kunsthandwerk gilt als wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Aufschwung in ländlichen Gebieten.


Die Beispiele für antikes Kunsthandwerk geben uns einen Eindruck von der Kultur, Kunst, den Sitten und Überzeugungen der Menschen, die vor Tausenden Jahren gelebt haben.  Sie geben uns eine Vorstellung  von ihrer Denk- und Lebensweise.  Diese kunsthandwerklichen Gegenstände wurden nicht für Museen oder als Dekor geschaffen sondern sie waren Gebrauchsgegenstände und fester Bestandteil des Alltags, wie der handgeknüpfte Teppich mit Gartenmotiv, den die Iraner zum Sitzen benutzten oder die selbstgewobenen Kleider, die sie trugen, oder der bemalte Wasserkrug, aus dem sie tranken.  Diese künstlerisch gestalteten Alltagsgegenstände machten das Leben schöner.    Wir werden Sie, liebe Hörerfreunde, gerne  einmal in der Woche mit auf Reisen in diese bunte und beschauliche Welt des iranischen Kunsthandwerkes mitnehmen.  Es ist eine Welt der Kunst und Lebensfreude, die von den fleißigen Händen iranischer Frauen und Männer geschaffen wurde. Diese Kunst gehört heute noch zum Alltagsleben.  Lassen Sie sich also nicht diese Reise entgehen. Sie sind herzlich dazu eingeladen. Wir erwarten Sie nächste Woche mit unserem zweiten Teil über das iranische Kunsthandwerk – ein Stück iranischen Kulturerbes.