Iranisches Kunsthandwerk- Teil 4 - Geschichte des iranischen Töpferhandwerkes
Sie haben beim letzten Mal über das iranische Töpferhandwerk aus prähistorischer Zeit erfahren. Wir möchten nun die Entwicklung dieses Handwerkes weiter durch die Geschichte verfolgen.
Über dieses Handwerk zur Zeit der Meder, 8. bis 7. Jahrhundert vor Christus, ist nicht viel bekannt. Man hat im Norden und Westen Irans einige Gegenstände aus Ton gefunden und gemäß den archäologischen Funden hat die Töpferei nur wenig Fortschritte hinsichtlich Technik und Glasur gemacht. Das änderte sich, nachdem die Achämeniden im 6. Jahrhundert vor Christus die Macht ergriffen. Man fertigte feine Tongefäße in neuen Formen an, zum Beispiel die Rhyta. Ein Rhyton, im Iran Takuk genannt, ist ein Trinkgefäß in Tiergestalt, zum Beispiel in Gestalt eines Stieres oder einer Bergziege oder eines Fisches. Die Verbreitung solcher Gefäße, von denen einige aus Ton und schön verziert waren, zeugt für einer Weiterentwicklung der Töpfereikunst unter den Achämeniden und natürlich auch für ein Leben in Luxus am Herrscherhof. Die Idee zu diesen Trinkgefäßen wurde jedoch von den Medern übernommen.
Bei den Ausgrabungen auf der achämenedischen Palastanlage Tacht-e Dschamschid (Persepolis) im Süden Irans und in Schusch (Susa) im Südwesten des Landes hat man glasierte Tonziegel für die Palastwände entdeckt und auf den Ton- und Keramikgegenständen waren Tiere und Soldaten abgebildet.
Vom 3. Jahrhundert vor Christus bis zum 3. Jahrhundert nach Christus haben die Arsakiden in Iran geherrscht. In dieser Epoche vermischte sich die iranische Kultur und Zivilisation mit der griechischen und hellenistischen. Die iranischen Künste erfuhren zahlreiche Veränderungen. Archäologische Ausgrabungen auch jenseits der Grenzen des heutigen Irans zeigen, dass die Arsakiden glänzende Beispiele ihrer Kunst in Mittelasien, Syrien und Irak hinterließen. Aber die archäologischen Funde aus der Zeit der Arsakiden sind innerhalb des heutigen Irans ebenso zahlreich. Wir können auf die antiken Anlagen in Kangawar (Westiran) , Sad Darwazeh (Hekatompylos) – heute Schahr-e Qumis- zwischen Semnan und Damghan , Ekbatana (nahe westiranischem Hamadan) und Gebiete in der Ebene von Gorgan und in Gilan (beides Nordiran) und in südöstlichen Sistan hinweisen.
Die Archäologen sind der Auffassung, dass das Töpfereiwesen im Reich der Arsakiden nicht überall gleich stark entwickelt war. Es hing davon ab, welche Gefäße die Bevölkerung im Alltag bevorzugte. Außerdem hatte die Anfertigung von goldenen und silbernen Gefäßen unter den Arsakiden Aufschwung gefunden und die Herstellung von Tongefäßen hatte an Bedeutung eingebüßt.
Die Tongefäße aus der Zeit der Arsakiden lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Gefäße mit und ohne Glasur. Die unglasierten Tongefäße waren in der Regel Schüsseln, kleine Tassen und dünnwandige Gefäße mit gewölbten Stützfüßen ohne jegliche Verzierung. Sie fanden viel Verwendung im alltäglichen Leben und man hat zahlreiche Exemplare in den von uns eben genannten Gebieten gefunden.
Unterdessen wurden die Tongefäße, die mit einer Glasur versehen waren, hauptsächlich von den Herrschern verwendet und in den zentralen Gebieten des Arsakidenreiches hergestellt. Die Glasurfarben waren hellgrün bis türkisblau. Die Gegenstände aus der Arsakidenzeit umfassen große Krüge für die Speicherung von Nahrung, Särge aus Ton mit Menschenabbildungen und vasenähnliche Gefäße und Trinkwasserbehälter.
Zur Zeit der Sassaniden, d.h. im 3. Jahrhundert bis zum siebten Jahrhundert nach Christus erfuhr die Töpfertradition aus der Arsakidenzeit nur wenig Veränderungen. Zu den Gebieten, in denen man Spuren der sassanidischen Kunst gefunden hat gehören Kangawar , Tachte Solaiman im Nord-Westiran, die Ebene von Gorgan und Turang Tappeh (beides Nordiran), das nordöstliche Neyschabur, Siraf im Süden am Persischen Golf, Qasr Abu Nasr östlich von Schiras und Qabira . Die wichtigsten Farben für Tongefäße waren auch in der Zeit der Sassaniden die Farben türkisgrün und türkisblau.
Nicht alle Gefäße erhielten eine Glasur. Es wurden große gewölbte kurzhalsige Krüge mit oder ohne Griff hergestellt. Manche Krüge hatten einen birnenförmige Öffnung und einen senkrechten Griff oder sie standen auf einem Gestell. Außerdem gab es Trinkwasserbehälter für Reisen mit runden Henkeln. Es wurden ebenso Schüsseln und Schöpfkellen aus Ton angefertigt, aber auch Siebe. Außerdem waren Tonfiguren üblich wie Tier- und Frauen und Männer-Statuen. Manche der Tongegenstände trugen eine türkisgrüne oder türkisblaue Glasur und manchmal waren sie auch braun- oder milchfarben. Beliebt waren geometrische Muster oder Pflanzen, Tier- und Menschenmotiven.
Als im 7. Jahrhunderts der Islam in Erscheinung trat und sich ihm 8. und 9.Jahrhundert ausbreitete, erfuhr die Kunst der Töpferei im Iran wie andere Künste einen großen Wandel. Die Töpfer im Iran pflegten zwar die vorislamischen Traditionen in ihrem Handwerk weiter, aber mit der Zeit entwickelten sie neue Formen und Verzierungen, aber auch neue Glasuren. Bei den Neuerungen in diesem Kunsthandwerk spielten die islamischen Überzeugungen ebenso eine Rolle wie die Bekanntschaft mit den Töpfereigegenständen aus dem Fernen Osten insbesondere aus China. Natürlich hat auch die traditionelle Erfahrung mit dazu beigetragen, dass sehr schöne Tongefäße angefertigt wurden. Man hat in den historischen Anlagen der ersten Hauptstädte und Regierungssitze der Islamischen Ära im Iran zahlreiche Gefäße aus Ton und Brennöfen für dieses Kunsthandwerk gefunden. Aus den Funden ist zu schließen, dass das Töpferhandwerk vom 9. bis 12. Jahrhundert nach Christus, zur Zeit der Samaniden, Ghaznawiden und Buyiden einen deutlichen Aufschwung erlebte. Außerdem hat die Entfaltung anderer Künste wie der Baukunst auch zur Weiterentwicklung dieser Kunst geführt.
In dieser Zeit waren, und das darf nicht vergessen werden, die Künste aber noch immer von der sassanidischen Tradition aus der vorislamischen Zeit inspiriert. Nur wurde die Töpferware mit neuen Methoden angefertigt, oder ihr Verwendungszweck änderte sich bzw. ihre Verzierung war anders. Als Beispiel sind die Schamlu- Tongefäße zu nennen, die Reliefmuster aufwiesen oder die Sari-Gefäße mit bunter Glasur. Beide Arten von Tongefäßen waren noch von der vorislamischen Zeit geprägt. Mit der Zeit entwickelte sich jedoch eine Töpferkunst im typisch islamischen Stil und Geschmack.
Übrigens haben einige iranische Dichter in ihren mystischen Werken den Menschen mit einem Krug verglichen, der von einem geschickten Töpfer aus dem Rohstoff Lehm, geformt und mit der großen Gnade des Verstandes versehen wurden. Sie spielen damit auf die Geschichte der Erschaffung des ersten Menschen im Koran an, aber auch auf die Rückkehr des Menschen zur Erde nach seinem Ableben.
So dichtet der iranische Mathematiker, Poet und Philosoph Khayyam (11. Jahrhundert nach Christus):
Gestern schlug ich meinen Krug mit Wein
In meiner Trunkenheit an einen Stein
Da sprach des Kruges Scherbe: Wie du bist
War ich, und wie ich bin, wirst du einst sein.
Übrigens sind Wein und Trunkenheit hier wie so oft in der Persischen Dichtung mystisch zu deuten.