Islam richtig kennenlernen Teil 2
Wir greifen das Thema Notwendigkeit der Religion im Leben wieder auf. Wir haben im letzten Teil versucht zu beweisen, dass die Anbetung des Höheren ein Bedürfnis des Menschen ist.
Im Koran heißt es, dass die Koran mit der Natur des Menschen (der Fitrah) übereinstimmt. Diese natürliche Veranlagung, mit welcher der Mensch erschaffen wurde, lenkt ihn zur Gottesanbetung und zu den Grundsätzen für ein besseres Leben. Außerdem ist der Mensch mit der Kraft des Denkens und der Vernunft ausgestattet, also besitzt er von innen heraus eine Erkenntnis, die in seiner Natur verankert ist. Diese einmalige innere Kraft ist Quelle vieler lobenswerter natürlicher Neigungen wie zum Beispiel der Wissensdrang, die Suche nach der Wahrheit, die Gerechtigkeitsliebe und Tendenzen zur Moral, und Preisung des Höheren. Alle diese Tendenzen sind feste Erscheinungen des menschlichen Geistes. In jedem Menschen ist die Neigung zur Anbetung und Ergebenheit gegenüber seinem Schöpfer verankert. Der Mensch verkennt die Wahrheit, wenn er dieses Verlangen nach Religiosität und Anbetung auf dem falschen Weg stillt.
Wie wir schon beim letzten Mal sagten, muss der Mensch sich zur Erreichung des vollendeten Glücks auf Quellen stützen, die über seine Vernunft, seine Sinne und seine Erfahrungen hinausgehen, so dass er den rechten Weg vom Irrweg unterscheiden kann. Gott sendet daher Propheten aus, damit er die Menschen mit den Grundsätzen und dem Wissen, welche für die Erreichung des Glücks und der Rettung notwendig sind, vertraut macht. Da die natürliche Tendenz zur Religiosität manchmal in Vergessenheit geriet, wurden von Gott Propheten ernennt, die die Menschen an diese Botschaft ihrer natürlichen Veranlagung erinnern und sie auffordern, auf die innere Stimme zu hören.
Die Propheten lehren außerdem im Auftrage Gottes Dinge, über die der Mensch nur durch die Offenbarung erfahren kann. Zum Beispiel lehren sie ihn den wahren Sinn des Lebens.
Die Erklärung des Lebenssinnes ist einer der wichtigen Zwecke der Religion. Jeder fragt sich: Wozu ist das Leben da? Was hat das Leid im Leben zu bedeuten? Ist die Welt es wert darin zu leben oder nicht? Durch die Antwort auf solche Fragen wird auch das Lebensziel bestimmt. Wenn der Mensch diese Fragen nicht logisch und zufriedenstellend beantworten kann, wird er von einem Gefühl der Sinnlosigkeit, Ziellosigkeit und Ratlosigkeit erfasst oder sucht bei den falschen Denkschulen und falschen Werten Zuflucht. In diesem Moment findet jegliche abergläubische und eventuell zerstörerische Ansicht Einlass in sein Geistesleben und schlägt sich störend auf sein Denken nieder.
Aberglauben und die Meinung, dass einige imaginäre Faktoren das Schicksal beeinflussen – wie wir sie sogar bei einigen Wissenschaftlern beobachten - gehen auf dieses seelisch-geistige Vakuum zurück.
Die Religion Gottes füllt mit ihrer einleuchtenden Lehren, die Lücken im Denken und in der Weltanschauung des Menschen aus und schützt ihn davor, dass er von dem Gefühl der Sinnlosigkeit überrollt wird. Sie rüstet den Menschen mit hohen wertvollen Zielen aus und hilft ihm dabei, diese zu erreichen.
Der Zweck der Religion ist so ähnlich wie der Zweck des Kompasses auf einem Schiff: In dem wogenden Meer des Lebens zeigt die Religion die Richtung zum rettenden Ufer. Sie definiert die Beziehungen des Menschen zu Gott und sagt ihm, woher er kommt und wohin er geht. Die dafür notwendige klare Vorstellung vom Dasein erreicht der Mensch durch den Verstand und die göttliche Offenbarung.
Der Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung schreibt über die wichtige Rolle des Lebenssinnes: „Alle Patienten, denen ich in meiner zweiten Lebenshälfte begegnet bin, hatten letztendlich damit Probleme, eine Lebensanschauung zu finden. Ich kann mit Sicherheit behaupten, dass sie sich deshalb krank fühlten, weil sie nicht das gefunden hatten, was die lebendigen Religionen ihre Anhänger lehren.“
Ein besonderes Merkmal der Religion besteht darin, dass sie auf das natürliche Verlangen des Menschen nach Ewigem Leben eingeht. Sie versichert dem Menschen, dass es keine endgültige Vernichtung für ihn gibt. Der Tod ist nur eine Brücke, über die der Mensch eine größere Welt betritt.
Der Tod ist an sich ein furchterregendes Phänomen für den Menschen. Trotz all seiner erstaunlichen Fortschritte in der Wissenschaft konnte der Mensch diesem Albtraum kein Ende bereiten. Die Angst vor dem Tod rührt von dem Verlangen des Menschen nach ewigem Leben her. Schon der Gedanke an den Tod beunruhigt und bekümmert den Menschen. Diejenigen die denken, es gäbe nur die körperliche Existenz und das Leben des Menschen sei auf das Diesseits beschränkt, betrachten den Tod als völlige Vernichtung. Sie fürchten sich daher sehr vor dem Sterben und sehen die einzige Lösung in der Verewigung im Diesseits – ein Wunsch, der jedoch niemals in Erfüllung gehen wird.
Bei einem falschen Lebensverständnis kompensiert der Mensch den unerfüllbaren Wunsch nach Ewigkeit durch langfristige Wünsche fürs Diesseits.
Die Religion legt jedoch eine andere Deutung vom Leben und Tod vor. Sie sagt, dass der Mensch, wenn er diese Welt verlässt in eine andere, ewige Welt gebracht wird. Der Heilige Koran spricht klar davon, dass dem Sterbenden die Seele genommen wird und er nicht vernichtet wird. Eine beachtliche Zahl von Koranversen handelt vom Jenseits und legt die Bedeutung des Lebens im Jenseits dar. Dies ist in sich ein sicherer Beweis, dass das Leben des Menschen in einer anderen Welt weitergeht. Wir kommen zu geeigneter Gelegenheit wieder auf dieses Thema zurück.
Ein weiterer großer Nutzen der Religion, der ebenso Beachtung verdient, besteht darin, dass sie dem Menschen die nötige Kraft verleiht, seine Triebe zu kontrollieren und egoistische Wünsche auf geeignete Weise zu steuern und verwalten. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Ungezügeltheit der Triebe, die egoistischen Bestrebungen und eigenwilligen Tendenzen des Ichs Gefahrenfaktoren für die menschliche Gesellschaft sind und bereits vielen Völkern sehr geschadet haben. Diese Faktoren haben dermaßen Einfluss auf den Menschen, dass sie die meisten in ihren Bann ziehen. Aber aufrichtige Gläubigkeit, welche die Religion dem Menschen beschert, befreit ihn aus der Umklammerung der eigensinnigen egoistischen Gelüste und gibt ihm die Macht sich vom abwegigen zu enthalten. Der bekannte russischen Schriftsteller Dostojewski sagt: „Wenn es Gott nicht gibt, ist alles erlaubt!“ Mit anderen Worten: Außer dem Glauben an Gott und die hohen Lehren der Religion, gibt es keinen Faktor mehr, der das rebellische Ego zügeln und den Menschen von unmoralischen Taten und Vergehen abhalten kann.
Der große Nutzen der Religion hat auch damit zu tun, dass durch ihre Lehren der Baum des Optimismus und der Zufriedenheit in die Seele des Menschen eingepflanzt wird und ihm die Früchte der Freude, Dynamik und Hoffnung beschert. Ein Mensch mit religiösen Neigungen betrachtet die Gesetze der Daseinsordnung als gerecht und richtig. Auch wenn er Zeuge ist, dass die Menschen Unrecht begehen und es Blutvergießen und schwere Konflikte auf der Welt gibt, blickt er zuversichtlich einer besseren hellen Zukunft, in der Sicherheit und Gerechtigkeit herrschen, entgegen. Der gläubige Mensch bleibt in jeder Situation hoffnungsvoll.
Ajatollah Naser Makarem Schirasi, der iranische Korankommentator, sagt über die Religion und die Hervorrufung von Hoffnung im Menschen:
„Die Religion ist eine hilfreiche Stütze bei der Begegnung mit Härten des Lebens und gegen unerwünschte Reaktionen wie Niedergeschlagenheit und Resignation. Ein religiöser Mensch glaubt fest an Gott, welcher die unbegrenzte Quelle von Wissen und Macht ist. Indem er sich auf Gottes Huld verlässt und Ihn um seine Gnade bittet, sieht er sich keinem Problem gegenüber mehr alleine und unfähig. Weil er fest davon überzeugt ist, dass jeder Engpass durch die bedingungslose Unterstützung Gottes für seine Diener, beseitigt werden kann, weist er alle Faktoren der Hoffnungslosigkeit zurück. Daher erlebt man bei religiösen Menschen kaum den Fall, dass sie aufgrund von Hoffnungslosigkeit und dem Gefühl, im Leben versagt zu haben, gravierende Reaktionen wie Selbstmord zeigen, nervös und reizbar werden oder psychisch erkranken.“