Islam richtig kennenlernen (27)
Im Koran wird der Schöpfer der Welt mit den höchsten Eigenschaften gepriesen. Seine Eigenschaften werden von den Gelehrten, gestützt auf das Himmelsbuch und die Überlieferungen in mehrere Kategorien eingeteilt.
Eine Kategorie sind Eigenschaften, für die nur Gott gepriesen wird und die seit jeher und auf ewig in Seinem Wesen sind. Zum Beispiel preisen wir Gott weil er seit jeher und auf immer lebt, wissend und mächtig ist, alles sieht, und über alles im Bilde ist.
Eine weitere Kategorie von Eigenschaften hat mit der Vollkommenheit Gottes zu tun. Die Perfektion Gottes schließt mit ein, dass er von allem was einen Mangel oder ein Bedürfnis bedeutet, frei ist. Zum Beispiel sagen wir: Gott hat keinen Körper, oder wir sagen: Er kann nicht gesehen werden, oder: es gibt nichts was im ähnelt und: Er hat keinen Teilhaber.
Darüber hinaus gibt es Eigenschaften, die sich auf das göttliche Tun beziehen. Zum Beispiel sagen wir: Er ist der Schöpfer oder: Er ist der Versorger.
Nachdem wir die Einheit Gottes als wichtigste Seiner Eigenschaften erklärt haben, möchten wir dieses Mal begründen, wieso Gott den Blicken verborgen bleibt, unsichtbar ist, und keinen Körper hat.
Bevor wir dieses Thema aufnehmen, sollten wir jedoch Folgendes feststellen:
Normalerweise nehmen wir mit unseren fünf Sinnen die Dinge und Erscheinungen in unserer Umgebung wahr. Aber das Reich, in dem wir leben, geht über das mit Sinnesorgane Fassbare hinaus. In unserem Lebensbereich sind Dinge, die wir nicht erblicken und über die Reichweite unserer Sinnesorgane hinausgehen, aber dennoch unbestritten sind. Wie zum Beispiel die Anziehungskraft. Wir können sie nicht sehen, aber wir sehen ihre Wirkung überall. Es gibt noch viele andere Dinge die wir nicht sehen können, aber durch ihre Wirkung erkennen, dass es sie gibt: wie die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, Freude und Trauer, Zorn, Hass und Liebe, Sympathie und Abneigung.
Können wir die Beziehung zwischen Ursache und Folge sehen, oder zwischen der Ordnung und dem Ordnenden? Nein, das können wir nicht. Aber alle die Dinge, die wir nannten, gibt es und sie beeinflussen unser Leben. Es lässt sich also sagen, dass viele Dinge außer Reichweite unserer Sinnesorgane liegen, aber dennoch existieren. Wir können auch in Bezug auf Gott nicht sagen, dass es Ihn nicht gäbe, nur weil wir Ihn nicht mit den Sinnesorganen wahrnehmen können. Denn die Wirkung und Zeichen Gottes sind überall zu sehen – in den Himmeln, auf der Erde und an unserer eigenen Existenz.
Gemäß den Gesetzen der Optik gilt: wenn Licht auf einen Gegenstand fällt, wird dessen Bild auf unser Auge reflektiert und von dort ins Gehirn weitergeleitet und daraufhin sieht der Mensch diesen Gegenstand. Wenn also Gott durch die Bestrahlung mit Licht und Reflexion im Auge gesehen werden soll, müsste Er ein Körper sein und einen Platz einnehmen, denn das Auge kann nur Körper und einige ihrer Eigenschaften sehen und wenn etwas nicht gegenständlich ist kann er nicht mit dem Auge erblickt werden.
Aber Körpern, der Materie und Orten sind immer Grenzen auferlegt und der Vernichtung preisgegeben. Während das Wesen Gottes keine Grenzen kennt und ewig und ohnehin kein Körper ist.
Anders ausgedrückt: Jeder Körper ist die Folge einer Ursache, d.h. er braucht für seine Existenz eine Ursache. Es ist klar, dass ein Wesen, welches Folge einer Ursache ist und auf einen Körper und einen Ort angewiesen ist, nicht Gott sein kann. Gott ist weder ein Körper, noch gibt es einen ursächlichen Zusammenhang mit der Materie und deshalb ist Gott nicht zu sehen. Im Koran steht im Vers 103 der Sure 6,( Anam):
„Blicke können Ihn nicht erreichen, Er aber erreicht die Blicke. Und Er ist der Allgütige, der Allkundige.“
Imam Ali (a) sagt: „Gott sei Dank, dass die Sinne Sein Wesen (das Wesen Gottes) nicht erreichen, Ihn die Orte nicht umfassen, die Blicke Ihn nicht sehen und die Schleier Ihn nicht verhüllen.“
Einen anderen Grund dafür, dass Gott unsichtbar ist, sehen Denker darin, dass nichts in der Welt so gut zu erkennen ist, wie Er. Die Weisen sagen: Gott ist das Licht allen Daseins. Er ist das Licht, das überall erfüllt und nicht untergeht. Gott ist überall auf der Welt zugegen und Er erscheint überall und wegen der Intensität seines Erscheinens wird er nicht gesehen.
Aber Er ist durch Seine Zeichen zu sehen. Es gibt sie überall im Dasein bei jedem Existenzwesen. Genauso wie wir die Kunst eines Malers oder Handwerkers in dem Werk, das er schuf, erkennen, erblicken wir auch Wissen, Weisheit und Macht Gottes in allem, was er auf der Welt erschaffen hat. Könnte Gott vom menschlichen Auge erblickt werden, wäre er in Wahrheit nicht mehr Gott, denn er wäre ein beschränktes Wesen, welches örtlich und zeitlich gebunden ist und Bedürfnisse hätte. Aber Gott ist überall.Nirgendwo auf der Welt fehlt er.
Laut den Chroniken fragte ein materialistisch eingestellter Gelehrter namens Ibn Abu al Audscha Imam Sadiq (gegrüßet sei er), wieso er einen Gott, den er nicht gesehen hat, anbetet. Da fragte der Imam zurück: „Wieso ist für dich jemand verborgen, der sich dir in deinem Sein gezeigt hat?“ Daraufhin zählte er eines nach dem anderen die Zeichen Gottes für ihn auf. Ibn Abu al Audscha sagte nach diesem Treffen mit Imam Sadiq (a) zu seinem Freund: „Der Imam hat eines nach dem anderen die Zeichen, die in meiner Existenz sind, für mich ausgezählt , ohne dass ich sie abstreiten konnte. Ich habe gemerkt, dass er mich bald in der Debatte besiegen wird, deshalb habe ich nichts mehr gesagt und bin weggegangen.“
Der Koran verkündet offen, dass Gott nicht gesehen werden kann. Aber in einigen Versen ist von der Begegnung (Liqa`) mit Gott die Rede. Mit dieser Begegnung mit Gott ist kein mit den Sinnen erlebtes Treffen gemeint, so wie das Treffen zwischen zwei Menschen, denn Gott ist ja kein Körper und kann daher mit dem Organ Auge nicht gesehen werden. Einige Koranexegeten sagen, dass mit dieser Begegnung das Erleben und das Sehen der Folgen seiner Macht am Jüngsten Tag und seine Belohnungen und Segensgaben bzw. Seiner Strafen gemeint ist. Eine weitere Bedeutung von Begegnung wäre ein Art inneres Gottschauen, denn der Mensch kann eine Stufe erreichen, auf der er Gott mit dem inneren Auge sieht, so dass er keinen Zweifel mehr hegt. Dieser Zustand kann im irdischen Leben durch Gottesfürchtigkeit und die Läuterung des Selbst erreicht werden.
In den Chroniken steht, dass jemand Imam Ali (a) fragte: „Hast du deinen Gott gesehen?“ Der Imam antwortete: „Ich bete keinen Gott an, den ich nicht gesehen habe!“ Der andere fragte ihn: „Wie hast du Gott gesehen?“ Der Imam antwortete: „Die äußeren Augen sehen Ihn niemals, aber die Herzen können ihn mit Hilfe des Lichtes des Glaubens wahrnehmen.“
Wenn also von der Begegnung mit Gott gesprochen ist, ist selbstverständlich nicht das Sehen mit dem normalen Auge gemeint, sondern das Schauen mit dem Herzen. Bei diesem Schauen nimmt jeder entsprechend seiner eigenen Fähigkeit Gott, seine Pracht und Herrlichkeit wahr.
Um klarzustellen, dass Gott nicht mit dem Organ Auge gesehen werden kann, berichtet der Koran davon, dass Prophet Moses Gott bat, Ihn sehen zu dürfen.
Im Vers 143 der Sure Araf (Sure 7) steht dazu:
"Und als Moses zu Unserem Termin gekommen war und sein Herr zu ihm gesprochen hatte, sagte er: `Mein Herr, zeige (Dich) mir, auf dass ich Dich schauen mag.` Er sprach: `Du wirst Mich niemals sehen, doch blicke auf den Berg; wenn er unverrückt an seinem Ort bleibt, dann wirst du Mich sehen.` Als nun sein Herr dem Berg erschien, da ließ Er diesen zu Schutt zerfallen, und Moses stürzte ohnmächtig nieder. Und als er zu sich kam, sagte er: `Gepriesen seist Du (Du bist rein davon, gesehen zu werden) ich bekehre mich zu Dir, und ich bin der Erste der Gläubigen.`"
In Wahrheit hatten die Israeliten ihren Propheten Moses gebeten, Gott sehen zu dürfen. Dabei vergaßen sie jedoch, dass es unmöglich ist, Gott zu sehen, und man Ihn nur mit dem inneren Auge erblicken kann. Jedenfalls ist Gott laut obiger Koranstelle dem Berg, vor dem Moses stand, erschienen. Der Berg ist in viele kleine Stücke zerborsten und Moses verlor das Bewusstsein. Daher bat Moses um Vergebung, als er wieder zu sich kam und gestand, dass Gott nicht mit dem normalen Auge zu sehen ist. Durch Zerbersten des Berges machte Gott dem Moses (gegrüßet sei er) klar, dass er dem Anblick Gottes nicht gewachsen ist.