Die Helden des Ostens und Westens in "Tintin und Sindbad"
Das Buch "Tintin und Sindbad" von Mohammad Mirkiani spiegelt die Sorge eines Autoren hinsichtlich der Wahrung der Kultur seines Landes wieder.
Mohammad Mirkiani ist ein iranischer Schriftsteller, der vornehmlich Bücher für Kinder und Jugendliche schreibt. Der 58-Jährige hat neben zahlreichen Büchern auch für den Rundfunk Hörspiele und Radiogeschichten für diese Altersgruppe geschrieben. Einige seiner Bücher wurden übersetzt und haben in Ländern wie Deutschland und Pakistan Interesse erweckt, wie sein Buch Rusi bud,wa rusi nabud (es war einmal) , das 2000 in die Liste des Münchener Literaturfestes aufgenommen wurde oder Paapar, welches 1990 auf die gleiche Liste kam.
Sein Buch Qeseh ma mathal schod - (unsere Geschichte wurde zum Sprichwort) wurde 2007 zum Buch des Jahres der Islamischen Republik Iran gewählt. Mirkiani hat insgesamt fast 500 Kurzgeschichten und Romane für verschiedene Altersgruppen herausgegeben.
Mohammad Mirkiani schrieb sein Buch Tintin und Sindbad im Jahre 1991. Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen neue Phänomene unserer Zeit und mit diesem Buch wollte Mirkiani indirekt die Kulturinvasion des Westens im Osten kritisieren.

Tintin und Sindbad ist eine fiktive Geschichte über die Begegnung von zwei Figuren, nämlich Tintin, dem Vertreter der westlichen Kultur und Sindbad , dem Vertreter der östliche . In Tintin und Sindbad treffen vor einem realistischen Hintergrund die alten Märchen des Orients und die Phantasiegeschichten des Westens aufeinander. Figuren wie Sindbad und Ali Baba und weitere, die einmal die Geschichten der östlichen und iranischen Erzähler bestimmten und aus deren Mund manch ein lehrreicher Satz kam, stoßen in diesem Buch mit den Heldenfiguren des Westens zusammen.
In der Geschichte von Mikiani schützen die Märchenhelden des Ostens auf eine logische Art und Weise durch Geduld Ausdauer und Einmütigkeit ihre Heimat gegenüber den Angriffen der westlichen Erzähl- und Comicfiguren.
Mirkiani ist in Tintin und Sindbad darum bemüht der heranwachsenden Jugend im Rahmen einer Phantasiegeschichte eine historische Wahrheit vor Augen zu führen.Es ist die Geschichte von dem ewigen Angriff des Westens auf Gebiete im Osten und die Geschichte der Kolonialisierung von asiatischen und afrikanischen Ländern.

Wer ist dieser Tintin in diesem Buch? Die Figur des Tintin wurde von dem belgischen Comiczeichner Georges Prosper, bekannt als Hergé, erfunden. Seine erste Geschichte von Tintin (der im Deutschen Tim genannt wird), erschien von 1929 bis 1930 als Fortsetzungsgeschichte unter dem Titel "Tintin (Tim) im Land der Sowjets." Sie handelt von dem jungen Reporter Tintin (Tim) der zusammen mit seinem Hund Milou (Struppi) in die Sowjetunion reist, den größten Repräsentanten des Ostblocks. Hergé lässt Tintin in seinem Buch feststellen, dass im Osten unwissende und unterdrückerische Leute herrschen.
Nachdem sich diese Geschichte im kapitalistischen Westen als Erfolg erwies, schrieb Prosper weitere Tintin-Abenteuer. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Die Figur des jungen Abenteurers Tintin mit seiner Haartolle fand viele Freunde unter der Jugend überall auf der Welt. Tintin symbolisierte bald einen sympathischen und intelligenten westlichen jungen Mann. Aber angesichts der negativen Beschreibung der Kommunisten in Russland, der Einheimischen im Kongo , der Schwarzhäutigen in den USA und der Südostasiaten wird schnell deutlich, dass mit diesen Comics von Tintin ein gewisses Überlegenheitsgefühl des Westens gegenüber anderen Kulturen verbreitet worden ist. Überall wo Tintin hinreist, begegnet er nur Menschen mit Problemen und tritt wie die Helden der meisten amerikanischen und westlichen Geschichten und Filmen als deren Retter auf.
Mirkiani erinnert seine jungen Leser im Osten an ihre eigenen Helden, die wegen der jahrelangen Überflutung mit Geschichten von westliche Helden in Vergessenheit geraten sind. Sindbad und Ali Baba, Alaeddin und der Riese mit der Zauberlampe, Nochodi und wie sie noch alle heißen - dies sind einst die Helden in den beliebten orientalischen Märchen und Erzählungen gewesen.

Im Buch von Mirkiani versuchen Tintin und seine Leute mit allen möglichen Mitteln zu siegen, aber Sindbad und die Helden der orientalischen Märchen lassen das nicht zu. Als Tintin die eigene Niederlage herannahen spürt, muss er noch weitere westliche Heldenfiguren zu Hilfe zu rufen, wie Superman, Tarzan und King Kong . Aber schließlich sind es die Helden des Ostens, die mit der Macht der Vernunft und des Selbstvertrauens siegen. Die geschlagenen Angreifer kehren in den Westen zurück, nicht ohne bereits für einen neuen Angriff auf den Osten zu planen.
Das Buch Tintin und Sindbad ist ein Beispiel für das Anliegen und den Versuch eines Künstlers, die Kultur seines Landes zu schützen. Mirkiani spielt in diesem Jugendbuch auf die kulturverändernde Wirkung der Satelittenprogramme an.
Nach dem Sieg über Tintin und seine Kumpel wird Sindbad klar, dass der nächste Angriff von Tintin und seinen Leuten nicht zu Boden sondern vom Himmel aus vonstatten gehen wird.
An der betreffenden Stelle in der Geschichte von Tintin und Sindbad fragt Alaeddin einen Greisen, wie die Aggressoren denn aus dem Himmel angreifen. Der Greis seufzt und sagt: "Mit etwas, was sie Satelitten nennen. Das ist eine Erfindung dieses Jahrhunderts. Sie haben diesmal von oben die Heimat der östlichen Märchen angegriffen. Sie sagen, sie wollen mit diesem Gerät alles ändern, was wir besitzen. Sie wollen uns mit einer Kraft, die für sie wie eine Waffe ist, alles stehlen: unser Aussehen und unser Leben,wie wir sprechen und wie wir gehen, unser Essen und unsere Kleidung und alles was wir haben."
Ajatollah Khamenei, Oberhaupt der Islamischen Revolution hat das Buch Tintin und Sindbad von Mirkiani begrüßt und in einer Notiz über dieses Buch geschrieben: "Ich habe die gleiche Geschichte schon immer erzählt. Schade, das viele sie nicht geglaubt haben...! Jetzt habe ich es einfach! Es genügt,wenn ich allen Kindern ein Exemplar von diesem Buch gebe."

Mirkiani sagt im Zusammenhang mit seinem Buch, zu dem in sowohl die eigene Sorge um die einheimische Kultur als auch die Warnungen Ajatollah Khameneis vor der Kulturoffensive motiviert haben: "In Wahrheit bewegt sich die heutige Welt auf eine kulturelle Gleichmachung zu. Wenn dieser Prozess andauert wird auf der einen Seite der kulturelle Widerstand vernichtet und auf der anderen die Vorherrschaft der westlichen Kultur folgen. In diesem Buch wollte ich der heranwachsenden Jugend den kulturellen Widerstand gegenüber der kulturellen Gleichmachung veranschaulichen. " Er sagte weiter, dass sein Buch von mehrschichtiger Bedeutung ist und es neben der Kulturoffensive auch um die Unabhängigkeit und Standhaftigkeit gegenüber den Fremden geht. Mirkiani ist es gelungen, diese ernsten realitätsnahen Inhalte seinen jungen Lesern im Rahmen einer spannenden und teilweise lustigen Geschichte nahe zu bringen. Inzwischen wurde "Tantan wa Sandbaad" (Originaltitel von Tintin und Sindbad) im Laufe von 25 Jahren 14 Mal neu aufgelegt und viele Kinder und Heranwachsende haben dieses Buch bereits gelesen. Aber deswegen ist der Inhalt nicht alt geworden, ebenso wenig wie die Notiz des Revolutionsoberhauptes zu diesem Buch. Die Mahnung vor der kulturellen Offensive ist weiterhin aktuell, zumal diese Angriffe innerhalb der letzten 25 Jahre noch intensivieren geworden sind.