In der Heimat der Offenbarung
Der Monat Dhu-l Hadscha rückt heran und nach zwei Jahren machen sich die Hadschkarawanen wieder auf den Weg nach Mekka – in die Heimat der Offenbarung.
Es ist ein himmlisches Gefühl in den heiligen Städten Mekka und Medina den Fuß auf den Boden zu setzen, besonders für die, die Jahre lang diesen Augenblick ersehnt haben.

Friede sei dir – Heimat der Offenbarung, Heimat der Propheten Gottes, Friede dir! Du bist der Ort wo die Gottliebenden sich vor ihrem Herrn niederwerfen. Friede sei dir Heimat von Arafat, von Sa`i und Mena – den Orten an denen die Gottergebenheit zu Tage tritt. Friede dir- Zamzamquelle und Masch`ar ul Haram, auch dir Medina und der Annabi Moschee, welche den geliebten Propheten Mohammad in sich birgt. Friede sei dir Baqi`, der Friedhof in dem große Sterne ruhen, Friede sei dir , Kaaba, o Haus Gottes, du bist wie eine brennende Kerze, welche die Falter einlädt sie zu umschwirren, damit sich auf Erden an dir die Liebe zu Gott und die Gott-Ergebenheit wiederspiegelt.
Dieses Jahr sind wieder aus aller Welt Pilger zu dir herbeigekommen, damit sie alle, in weiß gekleidet, die Einheit der Muslime demonstrieren und ihre Liebe und Achtung vor der Größe des Schöpfers bekunden und rufen: Labaik allahoma labaik- mein Gott du hast mich gerufen und ich bin gekommen.
Der Hadsch ist ein sehr beeindruckender Brauch der Gottesreligion und eine wichtige religiöse Pflicht für die Muslime. Er gehört zu den Säulen der Religion und es ist eine große Sünde ihn zu unterlassen. In den letzten zwei Jahren ließ die Pandemie Covid 19 und die Gefahr der Ansteckung nicht zu, dass die Muslime aus allen Erdteilen in Mekka den Hadsch vollbringen. Aber nun strömen wieder aus allen Himmelsrichtungen Pilger herbei, um in diesem Heiligen Gebiet ihr Bündnis der Gott-Dienstbarkeit mit dem Herrn zu festigen.
Hier kehrt der Mensch zurück zu seiner wahren Gott gegebenen und edlen Natur. Der Mekkapilger löst die Bindungen zu seinem Ego. Er denkt über die Daseinswelt nach und fällt ein Urteil über sich selbst. So denkt er darüber nach, wie sehr denn seine Lebens- und Verhaltensweise eigentlich Gottes Zufriedenheit findet. Er verspricht Gott, dass er Fehler und Mängel beseitigt und sich bessert; dass er sein Leben nutzt, um Vervollkommnung und Glückseligkeit zu erreichen.

Mahmud Morawwedsch besitzt kostbare Erinnerungen an seine Mekkareise. Er berichtet: „Wir waren auf dem Weg zum Hause Gottes und zur Heiligen Moschee und alle von Freude erfüllt und aufgeregt. Je näher wir der Kaaba kamen, desto mehr empfanden wir ein Gefühl der Freiwerdung ... ich konnte es nicht erwarten und verspürte wie ein neugieriges Kind Erfolg und Frohsinn. Ich spürte ich komme dem, den ich liebe, nahe. Schließlich erreichten wir Bab ul Salam (das Salam-Tor). Eine große Menschenmenge saß draußen vor der Moschee und in der Moschee. Bei der Brücke über Safa und Marwa erreichten wir den alten Teil der Al-Haram-Moschee. Wie von selbst trennten wir uns voneinander: Ein jeder ging in eine andere Richtung um vertraulich mit dem einmaligen geliebten Gott zu sprechen.“
Herr Morawwedsch beschreibt seine Gefühle beim Anblick der Kaaba wie folgt: „Es sind wundersame Augenblicke. So als ob du vorher in einer heißen Wüste ganz alleine gewesen wärest und nun die Einöde hinter dich gebracht hast und mit dürstenden Lippen an einer klare erquickenden Quelle angelangt bist! Als ob du ein Kind wärest, welches längere Zeit von seiner Mutter getrennt war und dich nun von ihr umarmt fühlst! Von selbst fällst du auf die Knie und verneigst dich vor Gott und Tränen und Weinen vermischen sich mit deinen begeisterten Worten des Gott-Eingedenkseins.
Mein Blick verharrte auf der Kaaba. Sie war so einfach und klar und zugleich so ruhig und anziehend. Ich suchte bei ihr Zuflucht, denn die Kaaba ist der Zufluchtsort für alle, die mit ihrer Gott gegebenen Natur und ihrem Selbst unabhängig von Hautfarbe und Sprache , Zuflucht bei ihr suchen und Ruhe finden. In diesem Zustand geraten, hatte ich nichts anderes im Kopf als Gott und nur Gott zu dienen. Also verrichtete ich zwei Gebetsabschnitte gegenüber der Kaaba und dann begann ich die Umkreisung des Hauses Gottes, die Worte Labaik allahoma labaik auf den Lippen -
„Du hast mich gerufen, o Gott, und ich bin gekommen.“
Die Menschenmenge wogt – alle sind weißgekleidet, und alle umkreisen sie wie ein einziger großer Strom die Kaaba und preisen und danken Gott. Es ist eine unbeschreibliche Szene. Es ist eine wundersame Atmosphäre. Hier werden viele Bitten an Gott gestellt und die meisten von ihnen wahrscheinlich erhört. Die Kaaba ist Mittelpunkt und du hast dich als kleines Element diesem großen Ozean angeschlossen, um Erkenntnis und Erleuchtung zu gewinnen. Du achtest auf niemanden anderen in dieser großen Menschenmenge. Ja du hast sogar dich selber vergessen. Nur eines erfüllt dich: Die Dienstbarkeit nur dem Einen Gott gegenüber.
Es ist der 8. Dhu-l Hadscha. Er wird Yaum At Tarwiyah genannt und an diesem Tag beginnt der Hadsch. Die Pilger gehen in den Weihezustand über. Sie werden durch mehrere Handlungen zum muhrim. Nach einer rituellen Vollwaschung (Qusl) legen sie das weiße Pilgergewand (Ihram) an. Danach beginnen sie die Worte „labaik allahoma labaik“ und die besonderen Worte für den Beginn des Hadsches zu rufen, was sich talbiah nennt. Der Hadsch hat begonnen. Alle Hadsch-Handlungen sind eine Pflicht für die Pilger. Vor allem ist wichtig, dass jede Hadsch-Handlung in der Absicht vorgenommen wird, Gott näher zu kommen, Ihm zu gehorchen und sich von Sünden zu befreien

Imam Ali sagt über einen Zweck des Hadsches wie folgt:
„Gott hat euch den Hadsch zu Seinem geehrten Hause zur Pflicht gemacht – zu dem Haus, welches Er zur Gebetsrichtung des Menschen bestimmt hat – damit ihr euch ihm wie Durstleidende zuwendet und wie Tauben bei ihm Zuflucht sucht. Gott der Gepriesene, hat die Kaaba zum Sinnbild der Ergebenheit und Demut der Diener gegenüber Seiner Herrlichkeit und zum Zeichen für ihr Bekenntnis zu Seiner Größe und Macht festgelegt und Er hat unter den Menschen Leute bestimmt, die Seine Einladung zum Hadsch hören und ihr folgen, Sein Wort bestätigen und den Fuß in die Fußspuren der Propheten Gottes setzen.“
Nachdem der Hadschpilger in Mekka die dortigen Riten vollbracht hat, zieht er mit den vielen anderen Pilgern vor die Stadt in eine Gegend namens Arafat um dort einige Stunden zu verweilen (wuquf). Als damals Imam Husain (Friede sei mit ihm) dort den letzten Hadsch vor seinem Märtyrertod vollzog, richtete er ein langes Preis- und Bittgebet an seinen Herrn, welches als Du`a Arafa bekannt wurde. Wenn die Schiiten auf ihrer Hadschreise in Arafat weilen, sprechen auch sie dieses tiefsinnige Gebet. Die Hadschpilger bleiben vom Mittag des 9. Tages des Monats Dhu-l Hadscha bis zum Sonnenuntergang des gleichen Tages in Arafat und danach ziehen sie nach Masch`ar ul Haram.

Über Nacht weilen die Hadschpilger in Masch`ar ul Haram. Bei Sonnenaufgang bricht der 10. Tag des Dhu-l Hadscha an. Am 10. Tag des Hadsch-Monats wird das Id-Qurban – das Opferfest begangen. Die Pilger verlassen Masch`ar ul Haram und ziehen nach Mena. Das erste, was sie in Mena vollbringen, ist die Zeremonie des Rami al Dschamarat. Bei dieser Zeremonie wird das Sinnbild des Teufels in Form von einer Säule mit Kieselsteinen beworfen. Dieses Ritual gehört als feste Pflicht zum Hadsch. Nach dem Rami al Dschamarat wird in Erinnerung an Prophet Ibrahim (Friede sei ihm) ein Schaf als Opfer dargebracht. Jeder Hadschpilger bringt dieses Opfer dar. Der Hadsch-Brauch wird durch weitere Riten vollendet, wie das Kürzen des Kopfhaares (taqsir), die Umkreisung des Hauses Gottes (tawaf) und schließlich der sa`i, ein schneller mehrmaliger Hin- und Hergang zwischen den Safa und Marwa in Mekka. Hinter alldem steckt ein weiser Sinn.
Der Koran verweist in einer ganzen Reihe Versen auf die Bedeutung und den Sinn des Hadsches hin. An 30 Stellen im Koran ist vom Hadsch und vom Hause Gottes, der Kaaba in Mekka, die Rede. Es gibt sogar eine Sure, die den Namen Hadsch trägt.
Die Verse 96 und 97 der Sure 3, Al-i Imran, lauten:
«إِنَّ أَوَّلَ بَیْتٍ وُضِعَ لِلنَّاسِ لَلَّذِی بِبَکَّةَ مُبَارَکًا وَهُدًى لِلْعَالَمِینَ؛ فِیهِ آیَاتٌ بَیِّنَاتٌ مَقَامُ إِبْرَاهِیمَ، وَمَنْ دَخَلَهُ کَانَ آمِنًا، وَلِلَّهِ عَلَى النَّاسِ حِجُّ الْبَیْتِ مَنِ اسْتَطَاعَ إِلَیْهِ سَبِیلًا وَمَنْ کَفَرَ فَإِنَّ اللَّهَ غَنِیٌّ عَنِ الْعَالَمِینَ»،
Das erste (Gottes)haus, das für die Menschen gegründet wurde, ist wahrlich dasjenige in Bakka (Mekka), als ein gesegnetes (Haus) und eine Rechtleitung für die Weltenbewohner.
Darin liegen klare Zeichen. (Es ist) die Stätte Abrahams. Und wer es betritt, ist sicher. Und Allah steht es den Menschen gegenüber zu, dass sie die Pilgerfahrt zum Hause unternehmen – (diejenigen,) die dazu die Möglichkeit haben. Wer aber ungläubig ist, so ist Allah nicht auf die Weltenbewohner angewiesen.
Dies war ein kurzer Blick auf den Hadsch. Abschließend bitten wir Gott, dass er uns die Freude und das Glück beschert, an der Hadsch-Zeremonie zum Hause Gottes teilzunehmen.