Wurden europäische Menschenrechtswerte geopfert, um geopolitische Interessen durchzusetzen?
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ParsToday- In einem Brief an die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte eine Gruppe von Abgeordneten des EU-Parlaments ein Ende der Mitschuld der Europäischen Union am Völkermord an den Palästinensern.
(last modified 2025-12-08T08:51:58+00:00 )
Dez 07, 2025 08:08 Europe/Berlin
  • Das EU-Parlament
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ParsToday- In einem Brief an die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte eine Gruppe von Abgeordneten des EU-Parlaments ein Ende der Mitschuld der Europäischen Union am Völkermord an den Palästinensern.

Die Abgeordneten veröffentlichten einen Brief mit dem Titel „EU: Beenden Sie Ihre Mitschuld am Völkermord an den Palästinensern“. In dem Brief heißt es: „Nach 789 Tagen Völkermord und 58 Jahren illegaler Besatzung sind wir der Ansicht, dass das EU-Parlament ein klares Signal senden muss: Europa darf seine Mitschuld nicht länger hinnehmen.“

Die Positionen der Grünen, der Linken, der Sozialdemokraten sowie der Abgeordneten Jaume Asens, Mélissa Camara, Marc Botenga, Irene Montero und Cecilia Estrada spiegeln die Kluft zwischen den erklärten Menschenrechtswerten Europas und deren tatsächlicher Umsetzung in der Außenpolitik wider. Die Abgeordneten fordern darin die Aussetzung des Kooperationsabkommens zwischen der EU und Israel, die Verhängung eines Waffenembargos gegen Tel Aviv, die Achtung der Urteile des Internationalen Gerichtshofs (IGH) und des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) sowie den Schutz palästinensischer Menschenrechtsinstitutionen.

Der Brief der EU-Abgeordneten spiegelt Warnungen wider, die seit Jahren von europäischen Denkfabriken wie dem „European Council on Foreign Relations“ (ECFR) und „Chatham House“ ausgesprochen werden. Diese haben die fortgesetzte Unterstützung Israels durch europäische Regierungen wiederholt als klaren Verstoß gegen die Grundsätze der EU-Menschenrechtscharta bezeichnet. Damit untergraben sie Europas moralisches Ansehen und seine geopolitische Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene.

Die Realität vor Ort verdeutlicht das Ausmaß der humanitären Katastrophe in Palästina. Laut dem UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) wurden zwischen dem 25. November und dem 1. Dezember vier Palästinenser, darunter ein Kind, im Westjordanland getötet. Damit steigt die Gesamtzahl der palästinensischen Opfer in der Region in diesem Jahr auf 227, fast die Hälfte davon wurde in den Städten Jenin und Nablus getötet – Gebiete, die in den letzten Monaten zum Schauplatz militärischer Angriffe und Übergriffe krimineller und mörderischer israelischer Siedler geworden sind.

Stéphane Dujarric, Sprecher des UN-Generalsekretärs, erklärte auf einer Pressekonferenz, dass israelische Siedler durchschnittlich fünf Angriffe pro Tag gegen Palästinenser verübten. Seit Jahresbeginn seien mehr als 1.680 Angriffe an über 270 Orten im Westjordanland registriert worden. Er betonte, dass Israel nach internationalen Vorschriften verpflichtet sei, Zivilisten zu schützen. Die vorliegenden Beweise zeigten jedoch, dass Israel dieser Pflicht nicht nur nicht nachkomme, sondern auch systematisch die demografische Struktur der besetzten Gebiete verändere.

Obwohl das israelische Regime und die Hamas Mitte Oktober ein Waffenstillstandsabkommen und einen Gefangenenaustausch verkündeten, deuten Berichte darauf hin, dass die Bombardierungen und die Zerstörung der verbliebenen Gebäude im Gazastreifen andauern. Seit Inkrafttreten des Waffenstillstands wurden mehr als 774.000 neue Binnenvertriebene registriert und allein in der vergangenen Woche mussten aufgrund von Überschwemmungen, Bombardierungen und anhaltender Unsicherheit über 20.000 Menschen ihre Häuser verlassen. Laut Experten der International Crisis Group deuten diese Zahlen auf „die Fortsetzung der Kriegsstruktur innerhalb des Waffenstillstands” hin – eine Situation, die faktisch die Fortsetzung des Krieges mit begrenzten Mitteln, aber weitreichenden humanitären Folgen bedeutet.

Die Analysten von „Carnegie Europe” und „Bruegel” sind der Ansicht, dass die passive Haltung der EU gegenüber der Krise auf ihre geopolitischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Israel und den USA zurückzuführen ist.

Ein OCHA-Bericht bestätigte außerdem, dass infolge der jüngsten Militäroperationen mehr als 95.000 Palästinenser im nördlichen Westjordanland vertrieben wurden und mindestens 17.000 keinen Zugang mehr zu Trinkwasser haben. Lebenswichtige Infrastruktur, darunter Abwasser- und Stromnetze, wurde schwer beschädigt und Schulen in den Gebieten um Jenin und Tubas geschlossen.

Zusammenfassend lässt sich der Brief der europäischen Abgeordneten als moralische Erklärung gegen das Schweigen der europäischen Regierungen zu den Verbrechen und dem Völkermord an den Palästinensern durch das zionistische Regime verstehen. Ein solches Schweigen stellt laut Natasha Lennard im Magazin The Intercept eine Form der Mittäterschaft dar. Nach zwei Jahren Krieg, Millionen von Flüchtlingen, Tausenden von Toten und weitverbreiteter Zerstörung stellt sich nun die Frage, ob sich die Europäische Union endlich zwischen „Werten” und „Interessen” entscheiden wird oder ob sie weiterhin eine Doppelstrategie verfolgt, bei der sie Menschenrechte in der Ukraine einfordert, aber in Palästina tatenlos zusieht.